«Meine Träume sind Taten»: Die junge Pianistin Liia Tsvietkova über Inspiration, Musik und weihnachtliche Wunder

Mit ihren erst elf Jahren klingt Liia Tsvietkova wie eine kraftvolle Stimme der neuen Generation ukrainischer Musikerinnen und Musiker – jener, die mit jugendlicher Aufrichtigkeit und erwachsener Ernsthaftigkeit unsere klassische Tradition fortführen. Und obwohl sie wohl die jüngste Protagonistin eines Interviews auf unserer Seite ist, scheint genau jetzt der richtige Moment, solchen klaren, hellen Stimmen besonders aufmerksam zuzuhören: In ihnen formt sich die Zukunft der ukrainischen klassischen Szene.
In einer Zeit, in der die Popkultur den Informationsrhythmus vorgibt, erinnert Liia daran, wie wichtig es ist, die Klassik zu hören – insbesondere die ukrainische – und dieses Erbe lebendig zu bewahren. Ihr Weg besteht nicht nur aus Wettbewerben und Bühnenauftritten: Die talentierte Pianistin spielt in Militärkrankenhäusern für Veteranen, unterstützt wohltätige Initiativen und zeigt in Echtzeit, dass Musik als Kunstform gleichzeitig Licht und Halt sein kann.
Trotz der Ernsthaftigkeit ihrer Wahl bewahrt Liia ein besonderes inneres Strahlen – den Glauben an Wunder, an die Kraft des Guten und daran, dass Musik und die durch sie ausgelöste Katharsis die Seele erheben und Harmonie mit dem Universum und den Menschen schenken können. Kurz vor den Feiertagen teilt Lija mit THEINSIDER.AT ihre Träume und Gedanken über eine Zukunft, die sie so mühelos wie herzlich mitgestaltet.

Liia, du bist sehr jung, und dennoch liegt bereits ein beeindruckender künstlerischer Weg vor dir – Wettbewerbe, Konzerte, Benefizauftritte. Was bedeutet Musik heute für dich? Und wie verändert sie sich mit dir?
Wie Gogol sagte: «Wenn sogar die Musik uns verlässt, was wird dann aus unserer Welt?». Musik ist für mich heute eine Art, über Wichtiges ohne Worte zu sprechen. Sie klingt oft im Moll – und das ist verständlich: Wir alle leben in einer schwierigen Zeit. Doch selbst die traurigen Werke von Bach oder Mozart hinterlassen immer Licht. Für mich ist Moll ebenfalls Musik der Hoffnung.
Du trittst in Militärkrankenhäusern vor Veteranen auf. Was fühlst du in diesen Momenten? Beeinflussen diese Begegnungen dein Spiel und deine Programmauswahl?
Gutes zu tun bedeutet für mich, bewusst Mensch zu bleiben. Neben den Veteranen spüre ich große Dankbarkeit und gleichzeitig das Bedürfnis, nützlich zu sein, ihnen etwas zu geben. Wenn ich sehe, dass meine Musik ihnen Freude, Erleichterung oder Inspiration schenkt, verstehe ich, dass mein Spiel nicht vergebens war. Diese Momente prägen sowohl meine inneren Empfindungen als auch die Werke, die ich künftig für meine Auftritte auswähle.

Dieses Jahr war für dich sehr ereignisreich: Erfolge, neue Begegnungen, Projekte. An welchen «neuen Gipfeln», wie erwachsene Musiker sagen, möchtest du im kommenden Jahr arbeiten?
2025 war tatsächlich übervoll mit Ereignissen: viele Reisen, internationale und ukrainische Wettbewerbe, neue Begegnungen mit talentierten und inspirierenden Menschen. Doch mein Ziel bleibt dasselbe – weiterzugehen und zu siegen. Jetzt bereite ich mich auf einen wichtigen internationalen Wettbewerb vor. Das ist mein nächster «Gipfel», den ich gern erklimmen möchte.
Welche europäischen Komponisten liegen dir besonders am Herzen und warum? Und welche ukrainischen Komponisten würdest du jedem empfehlen?
Ich liebe Chopin sehr – für mich ist er die «Seele des Klaviers». Seine Werke tragen viel Schmerz, oft tiefe Sehnsucht, und dennoch ist diese Musik unglaublich licht. Mozart ist ein weiterer Favorit. Er spricht scheinbar einfache Sprache, und doch steckt in jeder Note eine Tiefe, die nicht immer zu erfassen und wiederzugeben ist – weder für seine Zeitgenossen noch für uns. Seine Musik mag für Zuhörer leicht erscheinen, doch für Pianisten ist sie stets eine Herausforderung – Mozart ist unberechenbar und sehr ehrlich.

Unter den ukrainischen Komponisten möchte ich besonders Jewhen Stankowytsch hervorheben. Seine Werke erklingen häufig in der Nationalphilharmonie der Ukraine, und die jüngste Uraufführung seines «Requiems» hat bei mir einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Denn in dieser Musik verbinden sich Freude und Trauer, Licht und Schwermut, Wiedergeburt und Tod – und dennoch ist ihre Grundstimmung unerwartet lebensbejahend.
Mir ist auch das Schaffen des zeitgenössischen Komponisten Iwan Nebesnyj sehr nah. Besonders gefällt mir seine Widmung an die Geigerin Bohdana Piwnenko und seine Musik zu «Der Nussknacker». Sie klingt etwas ungewohnt, aber es ist eine frische, kraftvolle moderne Interpretation, die unbedingt Aufmerksamkeit verdient. Beeindruckt bin ich ebenfalls vom Werk des talentierten ukrainischen Komponisten Soltan Almaschi, besonders von seinen «Jahreszeiten» – sie sind tief und sehr bildhaft.

Und ich möchte die Titanen der ukrainischen Musikkultur erwähnen – Wassyl Barwinskyj, Borys Ljatoschynskyj und Borys Kudryk. Das ist ein einzigartiges Erbe, über das man viel öfter sprechen sollte. Trotz der schweren Zeiten, in denen sie schufen, ist ihre Musik voller innerem Licht. Das ist die Grundlage, die jeder unbedingt kennen und hören sollte.
Jeder Musiker hat Menschen, denen er sein künstlerisches Feuer verdankt – Inspirationsquellen, die Kraft und Mut schenken. Wen würdest du deine Inspiratoren nennen?
Ja, es gibt Menschen, die mich wirklich begeistern! Zum Beispiel Natalka Stets, die musikalische Leiterin der Kiewer Philharmonie. Sie ist nicht nur eine herausragende Dirigentin – und das ist an sich ein Meilenstein, denn Dirigentinnen sind sowohl bei uns als auch weltweit selten – sondern auch eine bemerkenswerte Führungspersönlichkeit, die jungen Musikerinnen und Musikern neue Chancen eröffnet.

Wenn ich den Blick über die Musik hinaus erweitere, bewundere ich auch Olya Kompanijets – ihre Haltung und die Schönheit, die sie in die Welt trägt.

Doch meine größte Inspiration ist die 204. Brigade der taktischen Luftfahrt und der Held der Ukraine, Pilot Wadym Woroschylo. Ihr Mut weckt Kraft und den Wunsch, zu schaffen!
Wer, deiner Meinung nach, verkörpert in deiner Generation die Zukunft der ukrainischen klassischen Musik?
Die Zukunft der ukrainischen Musik – ihr Kern – wird meiner Meinung nach von den Kindern und Jugendlichen gestaltet, die trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten unseres heutigen Lebens in der Ukraine geblieben sind, weiter lernen, auftreten und vor allem träumen. Wenn es um konkrete Namen geht: Ich glaube sehr an den Pianisten Andrij Sachodiakin – er hat ein vollkommen einzigartiges musikalisches Empfinden. Auch die Brüder Fedjuriak möchte ich nennen, unglaublich talentierte Pianisten, sowie den Geiger Pawlo Uljantschenko.
Und – wenn ich ein wenig scherzen darf – hoffe ich, dass in dieser Zukunft auch ein Plätzchen für mich sein wird! (lacht)

Du äußerst dich immer wieder sehr warm über den Pianisten Andrij Sachodiakin. Was fasziniert dich an seinem Spiel?
Ja, ich schätze Andrij sehr. Ich bin überzeugt, dass er ein zukünftiger Weltstar ist. Wenn er am Instrument sitzt, scheint er direkt mit dem Komponisten zu sprechen: Er versinkt vollkommen in der Musik und nimmt das Publikum mit. Er stellt niemals sein eigenes «Ich» über das Werk – und das beeindruckt mich am meisten.

Mit welcher Stimmung gehst du den bevorstehenden Feiertagen entgegen? Hast du besondere Festträume?
Meine Träume sind für mich immer Taten. Wenn man etwas will, muss man sich auf den Weg machen. Der größte Wunsch, der Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer vereint, ist der Frieden. Und ich möchte allen echte Weihnachtswunder wünschen! Und ich umarme alle von Herzen – mit meiner Musik.


